Marc’s Music Manufactory: Macklemore - Gemini (Review)

 
Mack is back – aber kann er auf seinem zweiten Soloalbum, wieder ganz ohne Hausproduzent Ryan Lewis, auch überzeugen?

Wir haben das Ganze hier zweigeteilt, um euch zwei verschiedene, aber doch nicht gänzlich unterschiedliche Perspektiven aufzuzeigen und einen besseren Vergleich herzustellen, also wundert euch nicht, falls es jedwede Wiederholungen gibt. Jan’s Review wird noch ein wenig auf sich warten lassen, er hat einiges mit dem Ding vor…
Anyway, let’s go!
Ich muss sagen, ich liebe „The Heist“ und stelle mich respektvoll auf die Seite der „Kenner“, da ich auch einige seiner älteren Projekte gehört und mit Freude verfolgt habe, und zähle mich zu Denjenigen, die „This Unruly Mess I‘ve Made“ für ein durchaus potentes Album halten, dass jedoch eine Handvoll recht schwacher, nerviger oder schlicht uninteressanter Songs und Konzepte aufweist. Konzepte – Für diesen Begriff ist der Name Macklemore in meinem Kopf nicht unwichtig, stecken doch in mehreren Tracks stets Ideen und Denkanstöße, die, meist auf recht unterhaltsame oder clevere Weise verpackt werden (und ja, ich mag „White Privilege II“ trotz seiner unnötig verkopft präsentierten und unzugänglich verpackten und zugleich recht simpel gehaltenen Message). Nie erreicht dies die lyrische Stärke von Kendrick, den emotionalen Punch eines Tupac, die Echtheit Eminems, natürlich, aber ich finde, diesen Anspruch zu setzen wäre sowieso vermessen. Hier findet man jemanden, der trotz aller Widrigkeiten, trotz der Domäne, in der er auftritt, trotz der vielseitigen gesellschaftlichen Kritik an seinem Schaffen einen Status erreicht hat, den man sich im Hip-Hop erst einmal erarbeiten muss. Macklemore ist eine erfolgreiche, unabhängige und, für heutige Verhältnisse, immer noch recht frische Marke, die nun zusehen muss, mit der Zeit nicht an Relevanz zu verlieren. „TUMIM“ war bereits nicht mal halb so erfolgreich wie der Erstling, hatte zudem mit den beiden Single-Auskopplungen „Dance-Off“ und natürlich „Downtown“ zwar zwei einigermaßen massentaugliche und interessante, aber wenig repräsentative und vor allem nur „nette“ Beilagen zu bieten (wobei: einige Teile in „Downtown“ sind schon verdammt catchy…), aber dies muss selbstredend noch nichts bedeuten. Ich sehe mich somit weiterhin als Fan, der hier versuchen will, seinen subjektiven Eindruck vernünftig mit rein sachlicher Kritik zu verbinden.
Schauen wir uns nun endlich in „Gemini“ um, entdecken wir einige bekannte Versatzstücke aus dem Kompositionsbaukasten von Ben Haggerty und auch anderen heutigen Interpreten. Viel Piano (schön zu hören im Debüttrack „Ain’t Gonna Die Tonight“, der zudem durch den wieder einmal sehr unterhaltsamen Eric Nally einen feierbaren Chorus bietet), ordentlich Raum für dumpf-unaufgeregt gehaltene Drums, dann wieder fast schon orchestral anmutende Klänge in „Good Old Days“ mit Party-Röhre Kesha, die sicherlich noch vielen von uns bekannt sein sollte (und deren Part mir wirklich gut gefällt, anzunehmen, da ihr Album „Rainbows“ dieses Jahr wohl eine echte Marke gesetzt haben soll), der ein oder andere (hier deutlich häufiger auftretende) Trap-Beat mit zurückgenommener Instrumentierung und dröhnenden Synthesizern, dann Hybride aus elektronischen und recht zurückgenommenen, gitarrenlastigen Einwürfen auf „Intentions“, einem schön entspannten und gefälligen Cut. Teils hat man sogar jazzige und soulige Einflüsse mit Orgeln und „laidback" Vibes, die speziell auf „Levitate“ oder „Church“ gut zum Ausdruck kommen und zu keiner Sekunde nervig werden.
Der aufmerksame Leser wird hier einerseits meine Phrasendrescherei, andererseits die Tendenz des Albums erkennen, zu einer Art „Clusterfuck“ zu werden. Ich mag Abwechslung, ich mag Konstanz, ich mag eine gute Portion Innovation, eine vernünftige Dosis Heimeligkeit, ein Album muss mich packen, loslassen und dann wieder auffangen, wenn ich zu ihm zurückkomme. Die korrekte Anwendung dieses Prinzips ist so schwer wie sie im Endeffekt leicht ist: Macht gute Musik, die mich nicht langweilt oder in Ihrer Gesamtheit nervt, sonst nichts. Wahrscheinlich liegt es an der Aufteilung der Tracks, aber mir kommt es vor, als ob gerade jener Aspekt der guten Anordnung der Versatzstücke zeitweise richtig schiefgegangen ist. 
Trap ist reine Geschmackssache, die Einen lieben es, seine Attitüde, die verwendeten Instrumentals, womöglich die Monotonie und ausgestrahlte Coolness der Artists, die Anderen verschreien es als Abkehr von „echtem“ Songwriting und aufwendiger Gestaltung und, wahrscheinlich am wichtigsten, einer Untergrabung von richtigen Aussagen, die vielschichtige oder relevante Themen ansprechen. Persönlich sehe ich mich in der Mitte dieser beiden Sichtweisen, mit Ausschlenkern zu beiden Seiten. In Bezug auf die musikalische Vielfalt und die allgemeine Produktion Value bin ich jedoch eindeutig auf der Skeptiker-Seite, ergibt sich doch, dass eine ganze Reihe aktueller „Banger“ im Endeffekt fast nichts Innovatives, Spannendes oder Ausgefeiltes zu bieten hat, ähnlich wie im Punk etwa 3 Standardakkorde aufweist und den Zuhörer entweder gefangen nehmen oder einschläfern will. Auch Mack’s Ausflüge in jene Gefilde gestalten sich für mich als schwierig: „Willy Wonka“ ist nicht nur Geschmackssache, sondern einfach nervig, zwar super-eingängig und auch irgendwie unterhaltend, aber höchstens durch Lines wie ;
„I'm eating sushi rolls, 
doin' the tootsie rolls
Thinkin' about future Goals,
hater what'chu been on?“ 


oder 


“I'm a motherfuckin' icon, 
boots made of python
I met with the Pres and I'm in Obama's iPod
My front yard got all kinds of cars
Long Cadi', blue body, call it Avatar”,


die mich ernsthaft an der Kredibilität des doch recht etablierten Rappers zweifeln lassen.


„How To Play The Flute“ ist zu langweilig, hat einen öden und stumpf-repetitiven Chorus und bleibt trotz des schlichten, aber spaßigen Begleitinstrumentals überhaupt nicht hängen.

Vergessen werden dürfen natürlich nicht einige seiner Zeilen auf dem schon erwähnten „Intentions“, wie hier zu sehen:


“I want world peace, but I wanna watch Worldstar
I know that I should stay home and still wanna kick it where the girls are
I wanna be a feminist, but I'm still watching porno
I wanna eat healthy, but I'ma eat this Digiornos"


This guy says: 


Uh, really?!"



Ist so etwas ehrlich lustig? Ist so etwas sozialkritisch, clever und durchdacht, nachhaltig, politisch (in)korrekt oder sonst etwas? Lasst es mich gerne wissen, ich kann zumindest nichts daran finden, und ich denke, solche geistigen Ergüsse kann man sich getrost sparen. Sie bringen nichts Neues zum Endresultat und machen einfach nichts wirklich richtig.


Kommt man jedoch zu „Marmalade“ oder „Corner Store“, zwei der besseren Experimente in diese Richtung, stellt sich bereits das nächste Problem: Die jeweiligen Features sind (in)direkte Rip-Offs von anderen Songs; Ersteres setzt auf das exakt selbe Sample im Background wie „Broccoli“ von D.R.A.M. aus dem Vorjahr, zudem springt auch hier Lil‘ Yachty ein und leiert sich wie üblich durch den Beat, letzteres wartet mit einer quasi-imitatorischen Interpretation im Stil von Chance The Rapper auf, die Delivery und der durchgängige Flow sind zwar routiniert eingesetzt, aber fühlen sich wie eine leicht billige Kopie vom Chicagoer an. Sie sind nicht schlecht, aber ich kann sie nicht so wertschätzen, wie ich vielleicht sollte.


Es ist echt schade, will ich doch so viel am Album mögen. Seine allgemeine Gefälligkeit, das Radiopotenzial vieler Songs, die alles in allem einfallsreiche und eigentümlich spaßige Produktion, die sich weder vor leisen Tönen noch vor Rock-Hintergründen wie in „Firebreather“ zurückschreckt, vieles ist sub- wie objektiv sehr positiv aufgefallen, um ein durchweg hochwertiges Pop-Produkt zu sein. Ich vermisse die am Anfang angesprochene Konzept-Technik, die ich sonst so mag, doch hatte Ben ja bereits erzählt, dass es sich hier um eine andere Herangehensweise im Songwriting gehandelt hat, deshalb wird es schwer, ihm mangelndes Denken anzukreiden. Es muss nicht Zwang sein, dies zu tun, so bewies dieses Jahr schon eine Lourde, um gleichzeitig Tiefe und Substanz zu besitzen. Vieler der hier entstandenen Songs sind an und für sich gut, einige würde ich sogar als wirklich empfehlenswert bezeichnen (siehe „Church“, „Ain’t Gonna Die Tonight“ oder „Good Old Days“ sowie das zurückgenommene, melancholische „Excavate“, welches ein wundervolles Einbinden von Saint Claire aufweist). Ihnen fehlt nichtsdestotrotz ein wenig die Ehrlichkeit, die auf seinem Vorgänger absolut Vorrang zu haben schien.

Kurzum:
Alles ist einen Tick zu unausgegoren, um mich wirklich umhauen zu können.

Schwierig, schwierig. Meine Bewertung kann endgültig sein, sie kann jedoch genauso gut nächste Woche schon wieder eine Andere werden, ist doch Musik der ständigen Veränderung der Geschmäcker unterworfen. In eine Ecke werde ich mich sicherlich nicht drängen lassen, wenn ich sage, dass mich als Fan auch Haggerty’s zweite Solo-Platte nicht verloren hat, wenn sie auch nicht an solch gute LP’s des Jahres 2017 wie etwa „Flower Boy“ vom guten Tyler, The Creator , „Saturation“ von BROCKHAMPTON oder natürlich „DAMN.“ eines gewissen Kendrick Lamars, geschweige denn die für mich außerordentliche Qualität eines „Heist“ rankommt. Ich freue mich weiterhin auf neues Material des MCs aus Seattle und hoffe, dass die nächste Kollaboration zwischen Lewis und ihm, die wahrscheinlich noch einige Zeit auf sich warten lässt, wieder zu alter Stärke zurückfinden kann.


6,5-7 von 10 perplexen Süßwarenherstellern

 Euer MarCues

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